Aktienanlage

Wie Anleger Gute Unternehmen auf Basis der Finanzberichten Identifizieren Können

Wie Anleger Gute Unternehmen auf Basis der Finanzberichten Identifizieren Können

Ich habe bereits in diesem Post hier erklärt, wie die Unternehmen ihre Aktionäre belohnen.

In der Praxis beschränkt sich die Analyse guter Unternehmen jedoch nicht darauf, lediglich den Nettogewinn in der Unternehmensbilanz zu analysieren.

Unternehmensanalyse ist keine exakte Wissenschaft. Preisindikatoren alleine (wie zum Beispiel KGV, KBV, usw.) zeigen dir nicht, ob ein Unternehmen „gut“ oder „schlecht“, auch nicht ob es “billig“ oder „teuer“ ist.

Der faire Preis einer Aktie (oder irgendein anderes an der Börse gehandeltes Vermögensteil) ist nur einer: derjenige, in dem die letzte Transaktion stattfand (der letzte Verkäufer hat sich den Preis mit dem letzten Käufer abgestimmt).

Über den künftigen Preis kann nichts gesagt werden. Du kannst zwar versuchen, deinen eigenen „fairen“ Preis zu rechnen, aber in 99,9% der Fälle wird dies zu einer Verringerung deines Eigenkapitals führen.

Vielleicht bist du der nächste Warren-Buffet auf dem Markt (du kannst tatsächlich innere Werte der einzelnen Aktien berechnen und diese von den aktuellen Preisen differenzieren, und dadurch viel Geld verdienen). Aber in diesem Fall würdest du nicht beim lesen dieses Artikels deine Zeit verschwenden, sondern Millionen beim Value Trading verdienen.

Wenn du genauso wie ich, nicht ein Genie wie Warren Buffet bist, und trotzdem in Aktien auf lange Sicht anlegen möchtest, diese Post ist für dich.

Wenn du lernst, gute Unternehmen zu identifizieren, ohne sich um den aktuellen Aktienpreis zu kümmern, wirst du der überwiegenden Mehrheit der Anleger bereits voraus sein. Denn, wie wir im Artikel über Aktionärbelohnung erklärt haben, kommt die Investitionsrentabilität des Buy & Holds nur auf lange Sicht. Mit kleineren (distanzierten) Aktienkäufen wirst du letztendlich einen mittleren Preis für deine Aktien haben, die mehr oder weniger dem „fairen“ Preis entspricht.

Analyse von Unternehmenzahlen nach dem Konzept der Periodenabgrenzung

Um gute Unternehmen zu identifizieren, in die investiert werden soll, musst du ihre Zahlen sowohl nach dem Konzept der Periodenabgrenzung als auch der Kapitalflussrechnung (Kassenbuchführung) betrachten.

Lassen wir uns nun die primären Kennzahlen nach dem Prinzip der Periodenabgrenzung durchgehen.

Umsatz

Gesamt Geldbetrag aus dem Verkauf von Produkten und Dienstleistungen des Unternehmens.

EBIT (Earnings Before Interest and Taxes)

Gewinn vor Zinsen und Steuern, und wird auch als operatives Ergebnis bezeichnet.

EBITDA (Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization)

Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände. Es ist somit eine Beschreibung der operativen Leistungsfähigkeit vor Investitionsaufwand (operativer Gewinn).

Man kann durch die EBITDA die Ertragskraft eines Unternehmens analysieren, ohne aber die Erhaltungsinvestitionen (Maschinen, Anlagen, Software, usw.) zu berücksichtigen.

Gewinn (Nettogewinn/Nettoerträge)

Das ist was das Unternehmen tatsächlich nach allen gesetzlichen Abzügen verdient. Je höher, desto besser (wie bereits in diesem Artikel erklärt), weil genau dieses Geld den Aktionär (direkt oder indirekt) belohnt.

Gewinn pro Aktie

Ein über die Jahre steigendes Gewinn allein macht den Aktionär nicht reicher. Es bringt nichts, wenn der Gewinn steigt, aber die Anzahl an Aktien noch schneller wächst.Wenn das passiert, werden die Gewinne „verwässert“. Das heißt, dein Anteil des Gewinns wird geringer trotz steigenden Gewinns des Unternehmens!

Es kann auch passieren, dass das Unternehmen mehrere Jahre kein jährliches Gewinnwachstum zeigt, aber seine eigene Aktien aus dem Markt zurück kauft. Das reduziert die Anzahl der im Umlauf befindlichen Aktien, was der Gewinn pro Aktie steigt (derselbe Gewinn wird durch eine reduzierte Aktienanzahl verteilt).

Ausschüttungsquote

Diese Zahl wird als Prozentsatz ermittelt und zeigt, wie hoch die Dividendenausschüttung sind im Verhältnis zu dem Nettogewinn. Wenn der ganze Nettogewinn ausgeschüttet wird, dann ist die Ausschüttungsquote 100%.

Viele Leute benutzen fälscherweise den Dividendenrendite (dividend yield), um zu analysieren, wie hoch oder niedrig die Dividenden eines Unternehmens eigentlich sind.

Dieses Verhältnis führt jedoch zu falschen Analysen, da es im Verhältnis zu dem Aktienpreis kalkuliert wird, was für einen „echten“ Anteilseigner gar keine Rolle spielt. Dem Anteilseigner ist eher wichtiger zu wissen, wie viel Nettogewinn tatsächlich ausgeschüttet wird, und was bei dem Unternehmen bleibt.

Nettomarge

Das Verhältnis von Gewinn zum Umsatz. Je höher dieser Wert ist, desto mehr Geld für das Unternehmen „übrig bleibt“. Je höher die Nettomarge, desto profitabler ist seine Operation.

Anders gesagt, kann man auch sagen, je höher die Nettomarge, desto „sicherer“ ist das Unternehmen, da es eine Marge hat, sich zu „verschlechtern“, ohne auf Gewinn verzichten zu müssen.

Die Nettomarge ist normalerweise ein Merkmal der Branche, in der das Unternehmen tätig ist. Durch das Vergleichen von Unternehmen derselben Branche, sind die mit den höchsten Nettomargen in der Regel diejenigen, die einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen haben.

Es gibt auch Unternehmen, die ihre Marge im Laufe der Jahre verbessern (vergrößern). Dies deutet auf ein äußerst interessantes Unternehmen zu investieren. Das zeigt, dass das Unternehmen seine Produktivität ständig verbessert, und die Folge dazu sind höhere Gewinne (mehr Geld für die Aktionäre).

Zu hohe Nettomargen bringen auch einige Risiken mit. Es kann sein, dass das Unternehmen ein Monopol in einer bestimmten Branche hat. Und Monopole können immer verloren gehen.

Es kann aber auch sein, dass das Unternehmen ein revolutionäres Geschäftsmodell hat, und dadurch sehr viel für seine Produkte oder Dienstleistungen verlangen können. Aber in diesem Fall wird die Konkurrenz sich irgendwann aufbauen, ähnliche Produkte/Dienstleistungen bieten und letztendlich die Margen der gesamten Branche nach unten zwingen.

Das bedeutet dann auch, dass ein Unternehmen mit fallenden Nettomargen nicht unbedingt schlecht ist. In solchen Fällen sind jedoch tiefere Kenntnisse der Branche und des Unternehmens notwendig, um zu erkennen, ob die Firma noch eine gute Zukunft hat.

Eigenkapital

Es wird gerechnet als der Differenz zwischen alle Vermögenswerte und alle Verbindlichkeiten des Unternehmens.

Ein gesundes Unternehmen muss also steigendes Eigenkapital aufweisen (es gibt Ausnahmen dazu, die in einem separaten Artikel erklärt werden können).

Als Grundregel gilt: Ein steigendes Eigenkapital zeigt, dass das Unternehmen immer mehr und mehr Vermögenswerte hat (oder zumindest, dass die gleichen Vermögenwerte über die Zeit im Wert gewinnen). Die Rate dieses Wachstums ist höher als die der Geldsumme, die noch ausgegeben werden muss (Verbindlichkeiten).

Zahlenanalyse nach Periodenabgrenzung in der Praxis

Tele Columbus AG

Tele Columbus Gewinn und Wachstum

Wie wir sehen, Tele Columbus zeichnet keine Gewinne. Selbst nach dem Erwerb von PrimaCon im Jahr 2015, hat sich die Lage nicht viel geändert, obwohl die EBITDA deutlich höher geworden sind.

Was man auch sieht ist, dass die Aktienanzahl praktisch verdoppelt hat. Wer Anteilseigner noch vor dem Erwerb von PrimaCon Aktionär an Tele Columbus war, muss jetzt ein künftiges Gewinn mit viel weiteren Aktionären verteilen.

Es gibt keine Dividendenausschüttung, weil es kein Gewinn gibt.

Das Eigenkapital der Tele Columbus durch den Erwerb von PrimaCon ist in den positiven Bereich geraten, aber das bedeutet in diesem Fall nicht vieles Gutes. Das höhere Eigenkapital wurde nicht durch Gewinn erwirtschaftet, sondern durch Verwässerung der Aktionäre.

Hamburger Hafen und Logistik AG

HHLA Gewinn und Wachstum

Die HHLA ist ein gut ausgewogenes Unternehmen. Als Betreiber eines Hafens, gibt es nicht viel Raum für Wachstum des Kerngeschäfts. Das wird deutlich gezeigt über die EBITDA, die praktisch unverändert bleibt.

Der Gewinn ist in den letzten 5 Jahren etwas gestiegen, was gut für den Anteilseigner ist.

Die Nettomarge ist ziemlich niedrig, aber das kann ein Merkmal dieser Branche sein. Es ist auch zu merken, dass die Marge ein bisschen höher geworden ist, was ein Produktivitätsgewinn zeigt.

Die Ausschüttungsquote liegt stetig über 50%. Also mehr als die Hälfte des Unternehmensgewinns wird zurück an die Aktionäre bezahlt. Das Management der HHLA braucht also anscheinend nicht viel, um das Geschäft weiter zu treiben.

Das Eigenkapital bleibt auf der gleichen Ebene. Das bestätigt dem langsam wachsenden Gewinn, verbunden mit der hohen Ausschüttungsquote von über 50%. Das heißt: Gewinne werden meistens ausgeschüttet, und Management möchte (oder kann?) nicht viel investieren.

SAP SE

SAP Gewinn und Wachstum

Die SAP SE, als Software-Unternehmen, muss kein physisches Produkt herstellen und braucht keine Produktionsanlagen. Deswegen weist es ziemlich hohe Margen auf.

Diese ziemlich hohen Margen hat sie in den letzten Jahren halten können. Die Aktienanzahl wurde in dieser Zeit auch nicht stark erhöht, was bedeutet, dass der Gewinn pro Aktie etwas gestiegen ist.

Was interessant bei der SAP SE zu sehen ist, dass sie auch eine Ausschüttungsquote von ca. 32% bis 43.2% gehabt. Das ist nicht wenig.

Trotz Dividendenausschüttungen, konnte das Unternehmen noch wachsen. Die Konstellation findet man nicht häufig, und zeigt, dass das Geschäft nicht so viele Investitionsausgaben braucht, um weiter zu laufen.

Zum Schluss: ich will hiermit nicht sagen, dass SAP oder die HHLA gute Unternehmen sind. Der Punkt ist: du sollst die Geschäfte, in die du investieren möchtest, verstehen. Alle Unternehmen haben Risiken, und die Bilanzzahlen können gut Hinweise darauf geben, wie stabil sie sind.

Die Vergangenheit kann nicht dir sagen, was in der Zukunft passieren will. Aber es kann gut zeigen, welche Unternehmen besser die Anteilseigner belohnt haben. Mögliche Turnaround-Unternehmen wie Tele Columbus ist es lieber zu vermeiden, da das Verlustrisiko einfach zu hoch ist.

SAP kann gute Software entwickeln, aber wer kann sagen, dass die Wettbewerber in Zukunft nicht bessere und günstigere Alternativen liefern können?

Auf der anderen Seite, die HHLA kann ziemlich sicher sein, dass ihr Geschäft nicht viel „schwanken“ wird. Aber dafür muss der Anteilseigner auch damit einverstanden sein, dass es nicht viel Wachstum geben wird.

Schulden und Barvermögen

Der zweite Teil der Bilanzanalyse nach Periodenabgrenzung handelt sich um Schulden und Kasse bzw. Barvermögen.

Bargeld und andere liquide Mittel

Nachdem das Unternehmen ein Gewinn gemacht hat, fließt dieses Geld direkt an die Kasse des Unternehmens. Jedes Unternehmen muss eine bestimmte Summe an liquiden Mittel in der Kasse behalten.

Dieses Geld wird verwendet, um die Liquidität des Unternehmens zu erhalten und seine unmittelbaren Verpflichtungen zu erfüllen. Das Unternehmen kann dieses Geld auch im Finanzmarkt investieren, wenn es dafür mittel- oder langfristig keine Pläne gibt.

Die Dividende (wenn diese an die Aktionäre ausgeschüttet werden) werden auch aus der Kasse entnommen.

Die Summe an verfügbarem Bargeld kann ein Merkmal der Branche sein, in der das Unternehmen tätig ist. Zum Beispiel muss ein Versicherer natürlich viel Bargeld verfügbar haben (oder mindestens mit höherer Liquidität). Der Versicherer kann nicht im Voraus wissen, wann Versicherungsfälle geben werden.

Der Barmittelbestand kann auch einen ziemlich starken Hinweis auf die finanzielle Lage des Unternehmens geben. Sehr gute Unternehmen haben meist viel Geld in bar, auch wenn nicht unbedingt notwendig.

Bruttoschuldenstand

Der Gesamtbetrag der vom Unternehmen aufgenommenen Schulden. Obwohl das Eingehen von Schulden als Privatperson in der Regel eine schlechte Entscheidung ist, ist es für ein Unternehmen etwas Gutes bzw. Kluges, wenn im richtigen Maße und mit Parsimonie eingesetzt. Dies liegt daran, dass Unternehmen interessante Steuervorteile bzw. Steuernachlässe haben, wenn sie Schulden machen.

Durch die Verschuldung kann das Unternehmen auch schneller wachsen, weil es dann „sofort“ Geld für seine Projekte bekommt.

Verschuldung kann aber auch eine intrinsische Notwendigkeit von bestimmten Branchen. Als Beispiel: Energieversorgung und Telekommunikation sind kapitalintensive Industrien. Firmen, die in solchen Branchen tätig sind, haben typischerweise eine hohe Bruttoverschuldung, um ihre Operation aufrecht zu erhalten, da sie ständig investieren müssen.

Zinsaufwand

Alle Schulden setzen sich aus Kapitalbetrag und Zinsen zusammen. In hoch entwickelten Ländern sind die Zinsen niedriger, so dass die Unternehmen tendenziell mehr Schulden aufnehmen, ohne ihre Geschäfte zu belasten bzw. gefährden.

In Schwellenländern sind Zinsen normalerweise deutlich höher. Als Folge können sie sich nicht so schwer verschulden, da der Zinsaufwand an Bedeutung gewinnt.

Nettoverschuldung

Das ist lediglich die Differenz zwischen dem Barmittelbestand (Bargeld + weitere liquide Mittel) und der Bruttoverschuldung. Das heißt, die Nettoverschuldung zeigt deutlich, wie hoch die Verschuldung des Unternehmens eigentlich ist.

Es gibt Firmen, die diese Zahl im negativen Bereich haben. Das bedeutet sie haben mehr Barvermögen als Schulden. Dies kann ein guter Hinweis auf die finanzielle Gesundheit des Unternehmens sein: es zeigt, dass es kein Geld von Dritten benötigt, um seine Operationen aufrecht zu erhalten.

In diesem Fall könntest du fragen: warum begleichen solchen Firmen seine Schulden einfach nicht? Wie oben erläutert, benötigt ein Unternehmen einen gewissen Bargeldbestand in seiner Kasse, und es gibt auch Steuernachlässe wegen der Verschuldung.

Die Schulden-Analyse ist nicht vollständig, wenn nicht in Zusammenhang mit der Cash-Generierung des Unternehmens betrachtet. Schließlich generieren größere Unternehmen mehr Geld durch ihre Operationen und können daher höhere Schulden machen und trotzdem „gesund“ bleiben.

Zinsdeckungsfaktor (EBIT / Zinsaufwand)

Verhältnis von EBIT zu Zinsaufwand. Diese Kennzahl ist wichtig, weil sie die Cash-Erzeugungskapazität des Unternehmens in Beziehung zu dem setzt, was das Unternehmen nur zur Deckung von Zinsen für die aufgenommenen Schulden ausgibt.

Ein Zinsdeckungsfaktor von weniger als 1,5 wird bereits als zu niedrig angesehen und könnte darauf hindeuten, dass das Unternehmen kurz vor der Insolvenz steht. Einige Branchen arbeiten normalerweise mit diesem Verhältnis zwischen 2 und 5.

Die Grundregel aber ist: je höher der Zinsdeckungsfaktor, desto besser (lockerer) ist die Verschuldungssituation. Anders gesagt: desto geringer das „Gewicht“ des Zinsaufwandes im Geschäft des Unternehmens.

Nettoverschuldung / EBITDA

Dieses Verhältnis ist der Hauptindikator für die Analyse einer Unternehmensverschuldung. Die Kennzahl gibt den Zusammenhang zwischen den (echten) zu begleichenden Schulden und die jährliche Cash-Generierungskapazität.

Da ein Unternehmen den Kapitalbetrag seiner Schulden mit dem EBITDA abgleicht, misst dieser Indikator, wie lange (in Jahren) das Unternehmen zur Schuldentilgung benötigt, wenn es keine neuen Schulden macht und bei der gleichen Cash-Erzeugungskapazität bleibt.

Die Nettoverschuldung / EBITDA sollte (normalerweise) nicht 1,5 zu 2 überschreiten. Dies hängt jedoch vom Tätigkeitsbereich des Unternehmens ab, der in bestimmten Situationen dazu führen kann, dass dieser Indikator etwas ansteigt. Das kann passieren zum Beispiel wenn eine Firma eine Erwerbung von anderen Geschäften abschließt.

Es gibt aber auch Unternehmen, die dieses Verhältnis über 3 oder 4 haben, ohne dass sein Geschäft „in Gefahr“ ist. Man muss die Branche gut kennen, um identifizieren zu können, wann die Schuld tatsächlich unbezahlbar ist.

Zusammenhang zwischen Zinsdeckungsfaktor und Nettoverschuldung / EBITDA

Und was solltest du aus der Analyse dieser Indikatoren nehmen? Je niedriger den Zinsdeckungsfaktor und je höher der Verschuldungsgrad (Nettoverschuldung/EBITDA), desto höher das Geschäftsrisiko.

Wenn das Unternehmen zu hohe Schulden hat, muss es von Zeit zu Zeit umschulden bzw. sich refinanzieren. Das ist nichts anderes, als neue Schulden aufzunehmen, um „ältere Schulden“ zu begleichen und dadurch den Betrieb aufrecht zu erhalten.

Dies macht das Unternehmen empfindlicher gegenüber starke Änderungen von Zinssätzen (Marktzyklen). Wenn die Zinssätze stetig niedrig bleiben, wird das hoch verschuldete Unternehmen keine Schwierigkeiten haben. Aber wenn es plötzlich eine (große) Umschuldung mit höheren Zinssätzen dringend benötigt, kann es in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Genau das passiert in Finanzkrisen.

Schuldenanalyse in der Praxis

Um diesen Artikel abzuschließen, werden wir die Schulden einiger Unternehmen nur anhand der Hauptindikatoren analysieren (alle Beträge in Millionen Euro – Bilanzen von Ende 2017).

Schuldenanalyse von 4 Unternehmen

Schuldenzahlen von Bayer AG, HeidelbergCement AG, RWE AG und Wirecard AG (Geschäftsjahr: 2017)

Bayer AG

Die Bayer AG hat eine gigantische Verschuldung, wenn man diese isoliert betrachtet. Bayer zahlt fast 1 Milliarde pro Jahr nur an Zinsen ihrer Schulden.

Die Cash-Generierungskapazität ist jedoch ebenfalls hoch und ein hoher Betrag an Bargeld ist verfügbar, sodass die Nettoverschuldung/EBITDA unter 1 liegt. Damit zeigt sich, dass die Bayer AG ihre Verschuldung problemlos mit weniger als einem Jahr ihrer Operationen begleichen könnte.

Der Zinsaufwandfaktor von 6,7 weist auch darauf hin, dass die Zinsen der Schulden nicht so stark den operativen Gewinn belasten. Bayers Verschuldung ist also ganz ausgeglichen.

HeidelbergCement AG

Die Zahlen der HeidelbergCement AG zeigen eine etwas „engere“ Situation. Sie hat eine Nettoverschuldung (das heißt Barbestand bereits diskontiert) von fast doppelt so viel wie Bayers.

Die Cash-Generierung ist ebenfalls schwächer. Wenn wir dann den Zusammenhang mit der Verschuldung beobachten, erreichen wir eine Nettoverschuldung/EBITDA von 2,58.

Das heißt, die HeidelbergCement AG muss zu einem gewissen Grad verschuldet sein, um ihre Geschäftstätigkeit aufrechtzuerhalten und wettbewerbsfähig zu bleiben. Wie schon vorher gesagt, dass kann aber ein Merkmal der Branche, oder lediglich einer Entscheidung des Managements sein.

Der Zinsaufwandfaktor bei 5,33 zeigt auch, dass die Schulden als ausgeglichen betrachtet werden können. Die Zahlen beweisen aber ganz deutlich, dass die Bayer AG ein wesentlich geringeres Verschuldungsrisiko hat als die HeidelbergCement AG.

RWE AG

Über die RWE AG ist es ähnlich wie die Bayer AG. Bemerkenswert ist jedoch, dass der Zinsaufwandfaktor nur 3,12 beträgt. Obwohl diese Zahl allein betrachtet nicht zeigt, dass sich das Unternehmen in einer komplizierten Situation befindet, zeigt sie, dass ein größerer Teil des operativen Gewinns der RWE auf die Zahlung von Zinsen ausgerichtet sein muss.

Es ist zu beobachten, dass dies als „normal“ angesehen werden kann, abhängig von der Branche, in der das Unternehmen tätig ist. Bei der RWE AG können wir sagen, dass der Umsatz tendenziell „stabiler“ ist als der der Bayer AG. Schließlich ist den Verkauf von Energie ganz anders als weltweit mit mehreren anderen Marken in der pharmazeutischen und chemischen Industrien zu konkurrieren.

Wirecard AG

Die Wirecard AG ist ein Beispiel für ein Unternehmen, das „keine Schulden hat“ (negative Nettoverschuldung). Das heißt, es hat mehr liquide Mittel (Barvermögen) als Schulden.

Wenn dieses Unternehmen so möchte, könnte es seine gesamten Schulden auf einmal begleichen. Es zeigt auch, dass es keine Schulden machen musst, um seine Geschäfte aufrecht zu halten. Das Geschäftsrisiko (generell betrachtet) ist also geringer.

Fazit

Die Auswahl von Unternehmen, um Aktionär zu werden, ist eine Art, keine exakte Wissenschaft. Du musst verstehen, wie Unternehmen Geld verdienen, und dazu ist es wichtig, einige Zahlen bzw. Kennzahlen ihrer Bilanz zu analysieren.

Wenn man diese Zahlen in der Bilanz richtig liest und versteht, kann man seine eigenen Kriterien für die Unternehmensauswahl festlegen, was für Margen aus seiner eigenen Perspektive akzeptabel sind. So bleibt man auch gelassener und „immun“ gegen Preisveränderungen, wenn das Unternehmen (von dem man Aktien hat) schlechte Zeiten durchmacht (während Finanzkrisen, zum Beispiel).

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