
Viele Börsenanleger suchen derzeit nach dem nächsten „Turnaround-Kandidat“.
Die Idee ist verlockend: du kaufst Aktien eines Unternehmens, das in einem bestimmten Zeitraum Verluste (manchmal einige Jahre, vielleicht sogar kurz vor dem Bankrott) verzeichnet hat, weil du eine Studie gemacht hast und glaubst, dass es zunächst Gewinne erwirtschaften wird, oder dass seine schlechte Lage zumindest etwas entspannen wird.
Wenn du tatsächlich einen Turnaround „getroffen“ hast, ist dein Gewinn in relativ kurzer Zeit wirklich hoch.
Kein Wunder also, dass so viele „Gurus“ und Martkanalysten die ganze Zeit darüber sprechen und dir „heiße“ Informationen über die nächsten Turnaround-Kandidaten verkaufen wollen.
Ein gelungener Turnaround: Aixtron SE
Betrachten wir ein aktuelles Beispiel eines echten Turnarounds in der Börse: Aixtron SE.
Aixtron SE hat zwischen 2012 und 2016 sukzessive Verluste verzeichnet. In den Folgejahren (2017 und 2018) konnte das Unternehmen seine Situation deutlich verbessern, hin in die Gewinnzone zurück. Der Aktienkurs hat der Bewegung des Gewinns gefolgt, von 3,10 Euro auf 16,49 Euro in einem Zeitraum von lediglich 1 Jahr und 3 Monaten. Dies entspricht einer Kurssteigerung von 429,6%. Nicht schlecht!
Betrachten wir jetzt die Schwierigkeit, das richtige „Turnaround-Timing“ (also genau bei welchem Preis kaufen und verkaufen) korrekt zu identifizieren. Denn letztendlich musst du nicht nur erraten, welche Unternehmen „besser werden“: man muss die Aktien „billig“ kaufen und „teuer“ verkaufen, und dadurch ein Gewinn erzielen.
- Vielleicht hättest du die Aixtron-Aktien zwischen 2012-2013 gekauft. Du hast diese aber einige Jahre lang ohne Kurssteigerung gehalten und letztendlich sie verkauft, bevor das Unternehmen sich verbessert hat. In diesem Fall hast du nicht vom Turnaround profitiert, sondern einfach nur Geld verloren.
- Vielleicht hättest du die Aixtron-Aktien tatsächlich kurz vor der Wende gekauft. Als aber der Aktienpreis angefangen hat zu steigen, wann ist der richtige Zeitpunkt, sie zu verkaufen? Hättest du sie nicht nach 50% Gewinn verkauft? Oder nach 100%? Du denkst, dass das Unternehmen wieder schlechter wird und verkauft die Aktien mit Gewinn, ohne aber die „maximale Leistung“ des Turnarounds erzielen zu können.
Die zwei oben genannten Beispiele zeigen Probleme, die du erfahren kannst, selbst wenn das Unternehmen, an die du gewettet hast, die schlechte Lage tatsächlich bewältigt. Und was passiert, wenn dein Turnaround-Kandidat einfach nie besser wird? In diesem Fall kannst du wirklich fast alles verlieren!
Ein gescheiterter Turnaround: Solarworld AG
Genau dies ist mit der Solarworld AG passiert. Der Aktienchart zeigt, wie sich der Kurs aus einem Hoch von 1.720,50 Euro zu einem Tief von 0,16 Euro entwickelt hat.
Was du bemerken sollst, ist, dass die Aktie immer weiter „billiger“ wird, was letztendlich immer mehr „Investoren“ täuscht, dass es eine viel zu gute Chance ist, verloren zu gehen. Schauen wir jetzt den Aktienchart nur mit den Kursstürzen zwischen Januar 2016 und August 2018 an, und wie es immer noch genug „Luft nach unten“ gibt, um weiter Geld zu verlieren, auch nachdem die Aktie bereits stark gefallen ist.
Das Schlimmste ist, dass du immer einen Analysten finden wirst, der eine Erholung des Unternehmens vorhersieht, und die Aktie immer noch auf „Buy“ setzt!
Der Turnaround-Liebhaber könnte mir jetzt sagen: Ich hätte lange die schlechte Lage von Solarworld erkannt und meine Aktien verkauft! Oder eine andere Variante: Ich hätte eine Stop-Loss-Order gesetzt!
Es könnte sogar sein. Die Wahrheit ist, dass du auf die eine oder andere Weise Geld verloren hättest.
Was dir aus diesen kurzen Turnaround-Analysen ganz klar sein musst, kann wie folgt zusammengefast werden:
- Es ist sehr schwierig, der Wendezeitpunkt eines Turnarounds zu erkennen. Wenn du zu früh einsteigst, wirst du Jahre in einer schlechten Investition verbrauchen, die Geld verliert oder die nur „seitwärts“ geht.
- Je schlechter das Unternehmen wird, desto „billiger“ wird seine Aktien, und es entsteht die Vorstellung, dass es „nicht mehr fallen kann“, sondern nur aufwärts gehen.
- Selbst wenn sich das Turnaround-Unternehmen verbessert, wirst du den „richtigen“ Verkaufspreis nicht wissen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wirst du sie verkaufen, bevor den höchsten Wert erreicht wird.
Letztendlich können alle oben genannten Punkte wie folgt zusammengefasst werden: Die Suche nach Turnarounds ist extrem riskant. Es reicht nicht aus, einfach zu wissen, welches Unternehmen tatsächlich wieder profitabel wird, sondern wann genau das passiert. Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass du mit so einer Strategie nur Geld verlieren kannst.
Ein Unternehmen, das in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist, neigt dazu, in dieser Situation zu bleiben, und geht schließlich in Bankrott. Wie kannst du daran glauben, dass du der „Auserwählte“ bist und genau die Turnaround-Unternehmen identifizieren kannst?
Du brauchst keine Turnaround-Aktien, um an der Börse Vermögen aufzubauen
Wenn du an der Börse Geld verdienen und dein Vermögen auf lange Sicht aufbauen möchtest, sollst du deine Zeit und dein Geld nicht an hochriskante Wetten ausgeben.
Du kannst dich einfach dafür entscheiden, nur in gute Unternehmen zu investieren, die ihre Aktionäre auf lange Sicht erheblich belohnen. Jeder kann verstehen, wie man gute Unternehmen durch Analyse von Bilanzzahlen identifiziert (dies wurde schon hier, hier und hier erwähnt).
Um am Aktienmarkt zu profitieren, musst du verstehen, dass diese Anlageklasse für Investoren, die eine langfristige Vision haben, besser geeignet ist. Dann wirst du feststellen können, dass der Kaufpreis deiner Aktien nicht wichtig ist, vor allem wenn du jeden Monat investierst und dein Portfolio vor Kursschwankungen schützt bzw. davon profitierst.
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