
Die große Mehrheit der Webseiten und Blogs über Aktienanlagen legen Aktienkurse als zentralen Punkt für jede Analyse.
Ich denke, das ist ein großer Fehler. Du sollst dich auf die Qualität der Wertpapiere (unabhängig vom Preis) bei deiner Auswahl konzentrieren. Um meinen Standpunkt zu beweisen, machen wir eine Analogie.
Nehmen wir an, du besitzt eine kleine Bäckerei. Du hast einen treuen Kundenstamm und das Geschäft läuft gut.
Nehmen wir an, das jährliche Ergebnis (der Nettogewinn) deiner Bäckerei beträgt 100.000 Euro.
Wenn die Wirtschaftslage sich verschlechtert würdest du dein Geschäft verkaufen?
Die Wirtschaft befindet sich jetzt in einer Krise, deine laufenden Kosten steigen, und deine Kunden geben nicht so viel aus wie vorher. Dein Gewinn für dieses Jahr beträgt 80.000 Euro. Im darauffolgenden Jahr verschlechtert sich die Situation noch mehr und der Gewinn sinkt auf 65.000 Euro.
Würdest du in dieser Situation sagen: „Mein Gewinn ist gefallen. Ich werde die Bäckerei verkaufen müssen!“? Das macht keinen Sinn! Warum würdest du etwas verkaufen, das dir jedes Jahr Gewinn erzielt und das weiter profitabel bleiben kann?
Genau das tun viele Anleger an der Börse. Sie verstehen einfach nicht, dass die Belohnung von richtigen Investitionen nur auf lange Sicht zu beobachten ist.
Auszahlungen von Dividenden sollen den Eigentümer nicht täuschen
Du, als Eigentümer deiner Bäckerei, hast die Macht zu entscheiden, wie viel aus dem Gewinn, den du Jahr für Jahr verdienst, in Form von Dividenden an dich selbst ausgezahlt wird. Das heißt, wie viel aus der Kasse deines Unternehmens an dein persönliches Konto überwiesen werden soll.
Was du beachten musst ist: der Gewinnanteil, der an der Kasse deines Unternehmens bleibt, gehört immer noch dir. Mit diesem Geld kannst du ins Geschäft investieren bzw. es erweitern. Oder die Gewinne aus mehreren Jahren sammeln (einsparen) und eine neue Bäckerei öffnen.
Das heißt, als Eigentümer der Bäckerei hast du die Kontrolle darüber, wie viel du dir selbst zahlst und wie viel Gewinn im Geschäft bleibt (Gewinnrücklagen).
Wenn du dir selbst einen großen Teil des Gewinns zahlst, neigt dein Geschäft dazu, nicht viel zu wachsen. Wenn du einen großen Teil deines Gewinns im Geschäft hältst, es ist zu erwarten (wenn du „richtige Entscheidungen“ mit diesem Geld nimmst), dass deine Gewinne immer höher werden. Und das Wichtigste:
Geld vor der Ausschüttung von Dividenden = Geld nach der Ausschüttung von Dividenden
Du wirst nicht „reicher“ durch Ausschüttung von Dividenden: das ist einfach ein Teil des Kassenbestands. Die Ausschüttung von Dividenden ist also die „Umwandlung“ eines Teils des Wertes des Unternehmens in Bargeld.
Dies sind grundlegende Konzepte, die jeder, der an der Börse investiert, verstehen sollte, und das führt zu einem sehr wichtigen Konzept:
Die Dividendenauszahlungen sind völlig irrelevant als Begründung, ein Unternehmen als „schlecht“ oder „gut“ zu bewerten
Nun, was macht der schlechte Investor, der nicht weiß, was an der Börse gekauft werden soll? Er analysiert Dividendenausschüttungen bzw. die historische Dividendenrendite (dividend yield) eines Unternehmens, um festzustellen, ob dies eine gute Investition ist oder nicht!
Auf die gleiche Weise wie im Beispiel der Bäckerei wird der Wert der ausgeschütteten Dividende vom Aktienkurs abgezogen. Du erhältst also kein „freies“ Geld, wenn du Aktien von Unternehmen kaufst, die Dividenden ausschütten!
Belohnung der Aktionäre durch Dividenden ist was anderes…
Hier soll man aber keine Verwirrung machen: Dividenden sind eine der Möglichkeiten, die die Unternehmen haben, ihre Aktionäre bzw. Anteilseigner zu vergüten, wie in diesem Post hier erklärt.
Wenn du es vorziehst, in Unternehmen zu investieren, die ihre Aktionäre lieber durch Dividenden (statt Wachstum) belohnen, gibt es damit kein Problem! Aber auch in solchen Fällen musst du sicherstellen, ob diese Unternehmen gute Bilanzzahlen aufweisen und dass die Höhe der ausgeschütteten Dividenden gerechtfertigt ist.
Als kleines Beispiel, schauen wir uns die Gewinne und Ausschüttungsquoten von 2 Unternehmen an: Isra Vision AG und Pfeiffer Vacuum Technology AG.

Ergebnisse und Ausschüttungsquoten der Isra Vision AG und Pfeiffer Vacuum Technology AG im Zeitraum 2008 – 2017
Während Isra Vision AG sehr niedrige Ausschüttungsquoten aufweist (nie höher als 15%), Pfeiffer Vacuum Technology AG schüttet sehr hohe Anteile des jährlichen Nettogewinns aus.
Isra Vision AG hat aber die Gewinnrücklagen sehr gut eingesetzt, was in sehr hohes Wachstum resultiert hat. Auf der anderen Seite, Pfeiffer Vacuum Technology AG konnte nicht viel wachsen wegen der hohen Dividendenausschüttungen.
Wie man weitere Unternehmenszahlen analysiert
Bis jetzt haben wir uns nur mit Gewinn (und dessen Ausschüttung) beschäftigt. Aber was ist mit dem Rest der Bilanzzahlen?
Es bringt einem Unternehmen nichts, profitabel zu sein, wenn diese Situation nicht nachhaltig ist, weil zum Beispiel die Schuldenlast immer höher wird.
Außerdem ist es für ein Unternehmen sinnlos, profitabel zu sein, wenn die Cashflow-Analyse zeigt, dass das Geschäft einen stets hohen Investitionsbedarf hat, um den operativen Cashflow zu generieren (siehe hier). Dies ist eine Situation, die (falls wiederkehrend) das Geschäft auf lange Sicht gefährdet.
Und was gewinnt der Aktienanleger damit? Ganz einfach: du befreist dich von der Vision, die du an der Börse nur Geld verdienen kannst, falls du Preisbewegungen richtig vorhersiehst, oder was schlimmeres: Aktien kaufen, die „billig“ sind, in der Hoffnung, dass die Unternehmen sich verbessern.
Normalerweise kann eine einfache, kurze Analyse der historischen Finanzzahlen der Unternehmen dir ganz schnell zeigen, welche tatsächlich reibungslos funktionieren und welche Schwierigkeiten haben (obwohl sie manchmal viele Dividenden ausschütten!).
So vermeidest du es, Anteilseigner von Unternehmen zu werden, die ihren Aktionären keine hohe Belohnung bieten. Um diese Situation besser darzustellen, analysieren wir kurz einige Zahlen von MTU Aero Engines AG und Heidelberger Druckmaschinen AG.
MTU Aero Engines AG
Bei MTU Aero Engines AG hat sich die Nettoverschuldung (Gesamtschuld – Kassenbestand) mehr als verdoppelt in den letzten Jahren. Aber so hat ihre Ertragskraft (EBITDA), und als Ergebnis bleibt das Verhältnis Nettoverschuldung/EBITDA stets unter 1.
Der Zinsdeckungsfaktor (EBIT/Zinsaufwendungen) steigt, sodass man leicht erkennen kann, dass die Verschuldung immer weniger Kraft im Vergleich zu seinem operativen Geschäft hat.
Als letztes, die Kassenflussrechnung zeigt sehr hohe Investitionskosten (Capex), was aber durch noch höhere Cashflows aus laufender Geschäftstätigkeit gedeckt werden (positive freie Cashflows).
Heidelberger Druckmaschinen AG
Bei Heidelberger Druckmaschinen AG ist das Bild ganz anders. Die Nettoverschuldung/EBITDA ist zwar nicht viel höher als bei MTU Aero Engines AG (auf ca. 1,4 am Ende 2017), aber der Zinsdeckungsfaktor zeigt, dass diese Verschuldung sehr teuer ist, im Vergleich zu seiner operativen Erträge.
Die Kassenflussrechnung zeigt, dass die Investitionsausgaben sehr hoch sind. Das operative Geschäft kann in „guten“ Jahren nur moderate freie Cashflows erzeugen.
Fazit
- Vergiss Aktienpreise und Preiskennzahlen. Die werden dir nicht sagen, welche Unternehmen finanziell ausgeglichen sind.
- Es gibt keinen Grund, wegen eines Gewinnrückgangs das Geschäft loszuwerden. Praktisch jedes Geschäft wird gute und schlechte Zeiten erfahren.
- Die Dividendenausschüttung ist eine Folge der guten finanziellen Lage des Unternehmens, zusätzlich zu der Entscheidung des Managements, einen Teil der Gewinne für das Geschäftswachstum nicht zu verwenden.
- Du wirst nicht „reicher“ durch Dividendenausschüttungen. Die ausgezahlte Summe wird vom Aktienpreis abgezogen. Das gleiche gilt für den Besitzer der Bäckerei, wenn er Bargeld aus seinem Kassenbestand an sein Konto überweist.
- Eine kurze Analyse von bestimmten Finanzzahlen kann dir einen guten Anhaltspunkt dafür geben, welche Unternehmen in der Tat widerstandsfähig sind, und von denen man für das ganze Leben Anteilseigner bleiben kann.
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